Vorfreude
Wir wagten daher einen neuerlichen Anlauf: Im September 2021 buchten wir die Flüge nach Florida und fassten bereits einige Unterkünfte auf den Bahamas ins Auge, da wir davon ausgingen, dass diese über Weihnachten und Neujahr gut besucht waren. Tatsächlich erwies sich der Transatlantikflug über Warschau nach Miami am 24. Dezember mit dem Dreamliner von LOT am günstigsten. Zurückreisen wollten Ewald und ich über New York, da wir dort noch einen gemeinsamen Freund besuchten. Barbara und David buchten unabhängig von uns einen Flug nach Orlando um ungefähr denselben Zeitraum. Wir vertrauten (naiverweise) darauf, dass uns keine weiteren Komplikationen dazwischenkämen und buchten ohne weitere Reiseversicherung. Trotz aller Risiken mitten in der Corona Pandemie entpuppte sich die Reise daher bereits als früher Lichtblick während einiger stressiger, kalter und dunkler Tage im Herbst und Winter. Dennoch war uns bereits im Vorhinein klar, dass es sich bei den Flugabenteuern keinesfalls um einen völlig entspannten Urlaub handeln sollte, sondern dass viele unerwarteten Zwischenfälle, turbulente Wetterbedingungen und lange Wartezeiten an den Flugplätzen gleichzeitig anstrengend und langwierig sein sollten.
Vorbereitung
Die etwa zweiwöchige Rundreise in den USA und auf den Bahamas erforderte eine monatelange Planung von Seiten des Piloten: So musste nicht nur Kontakt mit den Vercharterern in Orlando aufgebaut werden, es musste auch die europäische Fluglizenz in den USA anerkannt werden und einige Formalitäten für die Reservierung erledigt werden. Dabei handelt es sich um nicht wenig Organisatorisches, Ewald behauptete sogar einmal, dass das Fliegen das einfachste an der ganzen Reise wäre. Wir mieteten einen für uns neuen Flugzeugtyp, weshalb Ewald bereits Wochen voraus beim Flugclub in Amstetten Flugstunden in Anspruch nahm, um sich mit den Funktionalitäten und Besonderheiten der Cessna 182 vertraut zu machen. Der Funk in Amerika und den Bahamas wird in einem für uns phonetisch schwer verständlichen Englisch abgehandelt. Ewald übte daher auch englische Funksprüche. Da ich vorne den Platz der Co-Pilotin einnehmen sollte, aber nur wenige Grundlagen kannte, zeigte mir Ewald am Simulator zudem, wie man das Flugzeug im Notfall landete (wobei ich drei Mal auf seine Anweisungen hin die Cessna sogar sicher in Orlando landete).
Eine weitere Herausforderung stellte das Packen der benötigten Gegenstände für den Urlaub dar. Unsere Koffer durften nur ein begrenztes Gewicht aufweisen, da wir als vier Erwachsene das Flugzeug bereits mehrfach belasteten. Ewald stellte dafür einige Weight and Balance Berechnungen an, abhängig von unserer längsten Flugstrecke. Damit sollte sich auch die Flugplanung ständig ändern. Wir überlegten einmal sogar, bis nach Kuba zu fliegen, leider war die Cessna nach Rückfrage allerdings nicht für Kuba versichert. Um die Größe des Kofferraums abzumessen, fuhren wir vorab gemeinsam zum Flugclub Amstetten. Zudem wollte Ewald die gesamte Reise filmen. Das Equipment mitsamt GoPros, Kameras, Festplatten, PowerBanks, Laptop etc. wog allein 12 kg. Zum Glück ist es auf den Bahamas ganzjährig warm, weshalb relativ leichte Sommerkleidung als normales Gepäck genügen sollte. Dennoch sollte es in der Nacht abkühlen, zudem mussten wir auch unseren Aufenthalt im für den im Jänner frostigen New York mit bedenken.
Anreise
Schließlich war es am 24. Dezember so weit: Wir machten uns in der frühen Morgenstunde auf den Weg nach Schwechat, um von dort nach Warschau zu fliegen. Leider hatte unser Anschlussflug eine etwa dreistündige Verspätung, weshalb wir erst relativ spät in Miami ankamen und dort den Bus verpassten. Um vier Uhr früh im Hotel in Orlando, in dem uns Barbara und David bereits erwarteten.
Sea World
Eher schlecht als recht angekommen, wollten wir trotz allem unseren bereits vorab gebuchten Tag im Seaworld voll und ganz nutzen und standen wenige Stunden später bereits wieder auf, um uns von den Achterbahnen durchwirbeln, von der Intelligenz der Tiere beeindrucken und von dieser in sich geschlossenen (Traum-)Welt innerhalb unserer Welt verzaubern zu lassen.
Flugzeugübergabe
Tags darauf fuhr Ewald in der Früh zum Flughafen Orlando Executive und ließ sich eine mehrstündige Einschulung in die Cessna „Skylane“ geben. Wir hatten vereinbart, dass wir uns am frühen Nachmittag am Flugplatz treffen. Die Übergabe nahm allerdings mehr Zeit in Anspruch als erwartet und da es schon früh dunkel wurde, wollte Ewald kein weiteres Risiko eingehen. Wir entschieden uns dazu, nach Fort Pierce zu fliegen, um von dort am nächsten Tag weiter nach Grand Bahama (Freeport) zu reisen.
Der Flug nach Fort Pierce war unkompliziert, der Flugzeugtypus und der Funk waren zwar anfangs etwas ungewohnt (November 24 *ääähm* 6 *ääähm* 58?) aber im Laufe unserer Reise kannten wir auch diese „tail number“ wie im Schlaf. In Fort Pierce standen viele kleine Flieger, wir hüteten unseren Flieger wie unseren eigenen Augapfel und banden ihn immer gut fest (denn es konnte in der Nacht sehr windig werden).
Auf zu den Bahamas
Am nächsten Tag flogen wir wie geplant weiter nach Freeport. In Florida konnten wir viele nach ähnlichem Prinzip aufgebaute Reihenhäuser von oben beobachten. Schon kurz nach dem Verlassen des Festlandes erwarteten uns die unglaublichsten Blautöne, die wir je gesehen hatten. Das Meer war so faszinierend, dass wir kaum den Blick davon abwenden konnten. Es glitzerte im Sonnenschein und wir konnten verschiedenste Formationen im Meer beobachten. Schon nach kurzer Zeit landeten wir bereits auf Freeport. Dort sollten wir uns einige Stunden am Flugplatz aufhalten, bis wir einreisen konnten. Wir hatten bereits am Vorabend ein Visum beantragt. Die benötigten Angaben waren so ausführlich und umständlich, dass wir pro Person etwa eine Stunde zum Ausfüllen benötigten. Diese Formalitäten wurden nun akribisch genau überprüft. Zudem mussten wir 50 Dollar Customer Fee bezahlen. Natürlich hatten wir kein Bargeld dabei. Eine nette Dame vom Security fuhr Ewald und David zum nächsten Bankomaten. Nach langem Hin und Her konnten wir schließlich einreisen und ein Taxi zum Hotel nehmen. Endlich angelangt konnten wir nun alle Services des Resorts genießen. Es gab einen wunderschönen Strand, ein Riesen Buffet, Schwimmbäder, Unterhaltungsangebote, einen Volleyball Platz, Möglichkeiten zum Tauchen und Schnorcheln… himmlisch! Wir gönnten uns drei Tage im Hotel mitsamt Tauchgang, bevor wir zum nächsten Zielpunkt aufbrachen: Black Point auf den Exuma Islands.
Pablo Escobar's Paradies
Von Freeport ging es 1,5 Stunden über die türkisen Berry Islands bis zur Hauptstadt Nassau und weiter zu einer der ersten Inseln der „Exuma Islands“ – Normans Cay. Die kleine Insel erlangte große Berühmtheit durch einen Ihrer Vorbesitzer – Pablo Escobar.
Wir waren die einzigen Touristen weit und breit – als würde dieses kleine Paradies uns gehören! Gleich bei der Ankunft kam uns eine Person entgegen und verlangte 200 Dollar Landegebühr. Wir hatten uns allerdings nett mit dem Herrn unterhalten, weshalb er die Gebühr schließlich wieder fallen ließ. „But next time you have to pay!“ Neben dem Bilderbuch Strand im „MaxDuffs“ genossen wir den besten Burger den man sich nur vorstellen kann.
Black Point, Exuma Islands
Während wir in den ersten Tagen auf den Bahamas in einer „Hotelblase“ lebten, kamen wir nun mit den Einheimischen in Kontakt. Wir hatten ein Airbnb auf der Insel Black Point in den Exuma Islands gebucht. Es gab zwei Shops, die ständig geschlossen waren, und zwei Restaurants, die von Einheimischen betrieben wurden. Eine komplett andere Erfahrung. Ewald bezeichnete die Einheimischen als sehr kompetent, da sie sehr geschäftstüchtig waren.
Pig Beach, Staniel Cay
Wir planten Tagesausflüge auf Staniel Cay und Little Farmer‘s Cay.
Auf Staniel Cay konnten wir uns natürlich die Schweinebucht nicht entgehen lassen. Wir mussten dafür eine schmale Meereszunge überqueren. Natürlich verlangten die Einheimischen für die etwa 10-minütige Fahrt 500 Dollar. Das schien uns die Fahrt nicht wert zu sein, wir suchten weiter und fanden einen Mann, der uns denselben Service für 40 Dollar anbot. Damit konnten wir uns nun schon eher anfreunden, also fuhren wir rüber zum Pig Beach. Die Fotos der Werbetreibenden mit den schwimmenden Schweinen hatten traumhaft ausgesehen, die Realität erwies sich allerdings als ganz anders: Es war alles voller Schweinekot, auch das Meer. Einige Schweine wurden aggressiv, wenn sie nicht gleich das ganze Futter bekamen, und erkannten sich auch gegenseitig als Konkurrenten. Zu allem Übel musste man ständig auf den Schweineverkehr achten, da die Touristen über den Strand verstreut waren und die Schweine somit dem ständigen Stress ausgesetzt waren, von einem Ende des Strandes zum anderen zu laufen (wenn nicht sogar zu sprinten), um zu ihrem Futter zu gelangen. Wir hatten uns tatsächlich gefragt, ob sie dadurch nicht mehr Energie verbrannten als gewannen.
Wir hatten mit dem Bootsführer eine Stunde Aufenthalt ausgemacht, dabei aber vergessen, dass die Uhren auf den Bahamas langsamer gingen. Nachdem wir zwei Stunden auf dem Strand, auf dem es interessanterweise keinen Schatten gab, aber unter der sengenden Sonne glühend heiß war, ausgeharrt hatten, fuhren wir wieder zurück zu Staniel Cay und flogen weiter nach Little Farmers Cay.
Little Farmer‘s Cay
Auf Little Farmer‘s Cay kam es uns vor, als wären die Insel kaum belebt. Wir hatten den Strand nur für uns. Die Insel war so klein, dass die Landepiste zudem zugleich als Autostraße genutzt wurde.
Stars und ihre Strände
Da unser Tank sich dem Ende neigte, machten wir noch einen Abstecher nach Exuma International/George Town, um AVGAS für den Weiterflug nach Bimini zu tanken.
Am Weg nach Exuma International überflogen wir einige Inseln, die sich im Privatbesitz befanden. Unter anderem von David Copperfield (Musha Cay, Rudder Cut Cay), Faith Hill und Tim McGraw (Goat Cay), Nicolas Cage (Leaf Cay).
Am Vortag weiter nördlich erblickten wir noch weitere Star-Inseln: Shakira (Bonds Cay), Johnny Depp (Little Hall’s Pond Cay), John Travolta (West End/Grand Bahama), Eddie Murphy (Rooster Cay), Typer Perry (White Bay Cay)
Faszination Fliegerei
Ewald hatte das Flugzeug und das Funken mittlerweile gut im Griff, während ich manchmal nur Bahnhof verstand. Obwohl ich vieles nicht einordnen kann, erstaunen mich vor allem drei Dinge immer wieder bei der Fliegerei:
Erstens, wie klein und unbedeutend die zum Teil profanen Probleme der EinwohnerInnen dieser Erde aus der Vogelperspektive erscheinen. Diese neue Perspektive eröffnet zudem neue Sichtweisen auf Gegenstände und lässt zuvor unbekannte Muster aus dem Hintergrund hervortreten.
Zweitens, die technische und beinahe wissenschaftliche Funktionsweise des Flugzeugs nach vielen trial and error (Versuchen und Irrtümern), gleichzeitig unser bereits erlangtes Verständnis über die Naturgesetze. Je mehr ich von der Fliegerei verstehe, desto weniger Ängste und Unsicherheiten herrschen zudem in mir vor.
Drittens, die Zusammenarbeit der Piloten, Funklotsen, Technikern usw. als gelungenes Beispiel dafür, dass wir Menschen gemeinsam vieles bewirken können, wenn wir bestimmte Regeln achten und einhalten.
Als Co-Pilotin konnte ich Ewald allerdings leider nicht wirklich behilflich sein. Einige kleinere Aufgaben konnte ich jedoch übernehmen, etwa den Wegpunkt im Autopiloten einzugeben, die Start- und Landezeiten notieren, einige Funkfrequenzen wiedergeben, auf die Instrumente achten (bzw. diese überwachen), nach dem Landen den Flieger festbinden, das AVGAS und den Ölstand überprüfen, mit den Tankwärtern sprechen, den Flieger parken und putzen. Beim Auftanken achteten wir immer darauf, dass wir den Flieger nicht volltankten, da wir ansonsten zu schwer sein sollten. Zudem war die Gallone AVGAS auf den Bahamas relativ teuer (8 Dollar im Vergleich zu 4 Dollar in Florida). Alles in allem war ich immer wieder erstaunt darüber, wie Ewald diese Flüge so ausgezeichnet gut im Alleingang meisterte, ganz so als handelte es sich um ein Kinderspiel.
Bimini – bis zum Horizont Türkis
Über Silvester flogen wir weiter nach Bimini. Wir mussten mit der Fähre auf die gegenüberliegende belebtere Seite fahren, von dort wollten wir ein sehr beliebtes Golfwagerl mieten. Die Miete kostete allerdings 80 Dollar für einen Tag (!). Also machten wir etwas, was den Leuten dort und in den USA ganz und gar verpönt schien: Wir marschierten zu Fuß. Manchmal waren es Fußmärsche bis zu 30 Minuten, was die Einheimischen erstaunte (“That’s a looong way to go!“). Zum Glück hatten wir nur leichtes Gepäck dabei. Nach zwei Nächten auf Bimini trennten wir uns von unserer Crew: Barbara und David fuhren mit der Fähre zurück nach Florida, um die Everglades und einige Vergnügungsparks als auch Cap Canaveral zu besichtigen.
Viel Traffic in Nassau
Ewald und ich waren bereits 2016 gemeinsam nach Florida gereist und kannten die Peninsula bereits gut, weshalb wir noch weiter zur Hauptstadt Nassau flogen. Eine der Inseln, die mich am meisten beeindruckte, war San Andros mit einem kilometerweiten Korallenriff. Das Wasser war so klar, dass Ewald sogar mehrfach behauptete, Haie vom Flugzeug aus gesichtet zu haben. Die ersten beiden Male, an denen wir Nassau überflogen hatten, war die Insel bedeckt mit Nebel. Diesmal sollten wir allerdings Glück haben: Wir hatten freie Sicht. Wir landeten allerdings mit einem starken Seitenwind und der Flughafen war wahnsinnig belebt! Es warteten bereits zwei Düsenjets auf unsere Landung, um kurz daraufhin starten zu können. So legte Ewald eine „long landing“ hin. Kaum aufgesessen, rollten wir am Ende der Piste schon wieder auf den Taxiway hinaus. Eine wirklich einzigartige und sehr steile Landung!
Die Hauptstadt
Dort erwies sich Odyssey Aviation Nassau als unkompliziert und kundenfreundlich, wir konnten den Flieger um wenig Gebühr für drei Nächte stehen lassen. Und was für riesige Düsenjets wieder neben uns parkten! Ewald wollte den Flughafen filmen, was uns vom Handling aufgrund der Privatsphäre untersagt wurde. Wir konnten nur Mutmaßungen anstellen, wer hier noch gelandet war. Wir mussten den Flieger nicht selbst parken, dies wurde vor Ort übernommen, weshalb wir die Bremse nicht betätigten. Nun konnten wir in aller Ruhe die Insel erkunden. Und was diese alles zu bieten hatte! Wunderschöne Strände, Museen, Kulinarisches, ein Hotel größer als das andere, riesige Wasserparks mit steilen Rutschen …
Vor den Rückflug in die USA mussten wir noch einen Antigen Test durchführen, auch das erwies sich als unkompliziert bei Odyssey Aviation Nassau. Eine nette Dame des Handlings fragte uns, ob wir auf Flitterwochen waren, wir verneinten und führten ein lustiges Gespräch mit ihr, daraufhin überreichte sie uns zwei Goodie Bags voll mit kleinen Geschenken.
from
Bimini MYBS
to
Nassau MYNN
Distance
107 nm
flight time
00:56 hrs
max altitude
7.500 ft
max speed
126 kts
average speed
107 kts
landing + parking
12 USD